Trainer Jörn Ilper im Interview

Der TV Korschenbroich ist mit einer Bilanz von 2:6 Punkten in die Zweitligasaison 2011/2012 gestartet. Den knappen Niederlagen gegen Erlangen, Emsdetten und Potsdam folgte am vergangenen Wochenende schließlich mit dem 31:29 im Derby gegen TUSEM Essen der erste Sieg. Im Gespräch mit der TVK-Presseabteilung zieht Trainer Jörn Ilper ein kleines Zwischenfazit und appelliert gleichzeitig an alle Beobachter des Korschenbroicher Handballs ihm und seiner Mannschaft weiterhin die nötige Zeit und Ruhe zu geben, um die Entwicklung als Team, aber auch jedes einzelnen Spielers, vorantreiben zu können.

Jörn Ilper 1Jörn, vier Spiele sind absolviert. In der bereinigten Tabelle belegt der TVK mit 2:6 Punkten den 16. Platz. Wie fällt dein Fazit nach den ersten vier Wochen Ligaalltag aus?

Als Zwischenfazit muss man sagen, dass wir nach drei Spielen mit dem Rücken zur Wand standen. Wir hatten einen katastrophalen Saisonstart. Die ersten drei Spiele gingen alle denkbar knapp verloren und erst gegen TUSEM Essen, die für uns schon so etwas wie ein Angstgegner waren, haben wir eine Leistung gebracht, mit der man zufrieden sein kann.“

Wo siehst du derzeit noch die größten Problemzonen?

Wir haben in vielen Bereichen noch offene Baustellen. Die Ballzirkulation ist bei weitem noch nicht so, wie wir sie gerne hätten. Auch die spielerische Linie ist noch nicht so stark ersichtlich, wie das vorgesehen ist. Mich überrascht das aber nicht besonders, weil wir einfach mit unserem zweiten Spielmacher David Breuer einen ganz wichtigen Spieler verloren haben, auf den unser Spiel in den letzten vier Jahren zugeschnitten war. Durch die neue Konstellation auf dem Feld entstehen Unsicherheiten. Die alten Abläufe sind nicht mehr in dem Maße zu präsentieren und wir müssen erst noch neue erarbeiten und verfestigen.“

Wie gehen die Spieler mit dieser schwierigen Situation um?

Mit dem Einsatz meiner Spieler bin ich vollauf zufrieden. Sie opfern sich wirklich auf, wenngleich mich die gezeigten Leistungen nicht immer völlig glücklich machen. Klar ist aber, dass man dem Team Zeit geben und geduldig sein muss.“

Wenig Geduld zeigten teilweise die Vertreter der schreibenden Zunft. Wie gehst du, wie geht die Mannschaft mit den mitunter doch sehr negativen Kritiken um?

Die Meldungen der vergangenen Wochen haben wir natürlich alle registriert. Und es ist definitiv auch so, dass die teilweise sehr negative Berichterstattung auch das Korschenbroicher Publikum erreicht hat. Das ist aber etwas, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Wenn man sich unsere Schlüsselpositionen anguckt, spielen wir doch mit sehr jungen Spielern. Auf denJörn Ilper 2 Halbpositionen sind wir mit Florian Korte, Björn Marquardt, Christoph Piske und Pasqual Tovornik im Schnitt so jung aufgestellt, wie wahrscheinlich die wenigsten Mannschaften der Liga. Das führt unweigerlich zu einem gewissen Mangel an Routine und vielleicht auch ein Stück weit zu fehlendem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es ist im Sport aber nun mal von Zeit zu Zeit nötig, den Altersschnitt einer Mannschaft zu senken. Das ist ein völlig natürlicher Prozess, der niemals völlig reibungslos ablaufen kann. Was wir in unserer derzeitigen Situation am allermeisten brauchen ist Geduld. Wir sind kontinuierlich dabei uns zu verbessern.“

Unter anderem wurde mangelnde Kommunikation auf dem Spielfeld moniert. Würdest du diese Kritik teilen?

Wir hatten definitiv ein Kommunikationsproblem. Das wurde dadurch hervorgerufen, dass David Breuer nicht mehr da ist und auch ich nicht mehr als Spieler auf dem Feld stehe. Somit hatten wir zwei vakante Positionen im hierarchischen System. Es dauert länger als acht Wochen, diese Strukturen im Mannschaftsgefüge neu aufzubauen. Das geht nur in Krisensituationen, wenn es Reibungspunkte gibt und kontrovers diskutiert werden kann. Hier sehe ich uns aber auf einem guten Weg. Die Mannschaft als solche verfügt über eine gute Mischung an Charakteren.“

Hat das Team in deinen Augen wirklich den Spaß am Handball verloren, wie zu lesen war?

„Handball macht immer am meisten Spaß, wenn man gewinnt. Hätten wir das Spiel in Erlangen und das Heimspiel gegen Emsdetten gewonnen, was definitiv möglich war, würde diese Frage gar nicht aufkommen. Es ist ohne jeden Zweifel so, dass unser Spielsystem sich aufgrund des neuen Personals verändern musste. Von den Ergebnissen dieser Veränderung bin ich 100% überzeugt. Unser Abwehr-Torwart-Paket ist so stark wie nie in den letzten Jahren. Das ist nicht zuletzt daran zu sehen, dass wir trotz der aktuell deutlich höheren Fehlerquote im Angriff weniger Tore kassieren, als es früher der Fall war. Wir hatten in keinem der vier Ligaspiele über 30 Gegentore.“

Jörn Ilper 3Worauf kommt es in der nächsten Zeit an, damit dem Sieg gegen Essen weitere folgen?

Was wir am allerwenigsten gebrauchen können ist Verunsicherung. Weder von Seiten der Zuschauer, noch von Seiten des Vereins oder aus irgendeiner anderen Richtung.Ich bin froh, in einem Verein zu arbeiten, bei dem sich die Geschäftsführung aus konkreten sportlichen Belangen komplett heraushält. Nach meinem Dafürhalten ist nur so eine zielführende und vor allem erfolgreiche Trainertätigkeit möglich. Es wird in den nächsten Wochen von großer Bedeutung sein, dass wir in unserer Entwicklung nicht stagnieren. Ich bin mir sehr sicher, dass wir uns entwickelt haben. Damit meine ich mich, damit meine ich die Mannschaft und damit meine ich unser System. Wenn man sich die Liga anguckt, dann fällt auf, dass diese sehr ausgeglichen ist. Nur wenige Punkte trennen die oberen von den unteren Rängen. Das ist gleichbedeutend mit enormem Druck für jede Mannschaft. Insofern kann man den „Spaß-Aspekt“ nicht uneingeschränkt in den Vordergrund stellen. Wir spielen nicht nur zum Spaß Handball. Die eingleisige 2. Liga hat ein ganz anderes Niveau als die Spielklasse, in der wir noch letztes Jahr angetreten sind. Da waren 5-6 Mannschaften dabei, von denen man vorher eigentlich schon wusste, dass man gegen die nicht verlieren konnte. In dieser Saison ist es so, dass man jedes Spiel gewinnen aber auch genauso gut jedes Spiel verlieren kann. Das beinhaltet automatisch einen höheren Druck auf jeden Einzelnen. Wir müssen weiter lernen, mit diesem Druck umzugehen und unabhängig davon konsequent unser Leistungsvermögen abrufen. Für mich steht völlig außer Frage, dass die Mannschaft das Zeug dazu hat, dauerhaft in der Liga zu bestehen.“

Jörn Ilper EmsdettenGibt es darüber hinaus Aspekte, die von großer Bedeutung sein werden?

Nun zunächst möchte ich ganz allgemein etwas zur Situation hier sagen. Ich finde es sehr schade, dass wir in dem neuralgischen Handballdreieck Düsseldorf – Dormagen – Korschenbroich, in dem wir uns befinden, teilweise nur sehr wenig Rückendeckung von Seiten der berichtenden Journalisten bekommen. Es ist zum Beispiel eindeutig zu erkennen, dass Dormagen hier präferiert wird. Das ist prinzipiell in Ordnung, denn der DHC und vorher der TSV haben sich diese Stellung über Jahre erarbeitet. Ich finde aber auch, dass man die Kirche da im Dorf lassen muss. Wir hatten mitunter schon vor Saisonbeginn überhaupt keine Kreditlinie. Dabei muss man aber auch mal die Fakten ins Auge fassen. Wir gehen mit einem Etat in die Saison, der wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte dessen ausmacht, mit dem der DHC in die Saison geht und die Mannschaft hat zwei Schlüsselspieler verloren und muss dadurch eine völlige Umstellung des Spielsystems bewältigen. Aber wir lassen uns davon nicht unterkriegen. Wichtig ist, dass die Zuschauer in Korschenbroich uns weiterhin unterstützen und dabei auch weiter ein bisschen mehr Toleranz für Fehler aufbringen. Natürlich waren wir statistisch gesehen in den letzten Jahren immer eine der Mannschaften mit den wenigsten persönlichen Fehlern, weil wir einfach sehr eingespielt waren und jeder wusste, was er zu tun hatte. Dieses System kann und wird es so nicht mehr geben und das entscheidende ist, dass wir uns entwickeln werden und das auch in Ruhe tun dürfen.“

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